sv98.de: Am letzten Wochenende kam es auch in Darmstadt zu Protesten gegen Kollektivstrafen des DFB-Sportgerichts. Nun liegt dem SV 98 eine Aufforderung zur Stellungnahme durch den DFB-Kontrollausschuss aufgrund der beim Heimspiel gegen Heidenheim gezeigten Banner vor. Wie bewertet der SV 98 diese Aktion?
Rüdiger Fritsch: Wir haben uns die dargestellte Karikatur sehr genau angeschaut und mit den durchführenden Fangruppen einen intensiven Dialog dazu geführt. Wir sind der Ansicht, dass die Inhalte der Banner vom Recht auf freie Meinungsäußerung abgedeckt werden. Teils wird provokante Symbolik genutzt, die aber bewusst so eingesetzt wurde, dass keine Beleidigungen oder andere Regelverstöße verursacht werden.
In dieser karikierenden Darstellung wurden Zusammenhänge überspitzt dargestellt, die der SV 98 nicht zwangsläufig teilt. Der SV Darmstadt 98 steht jedoch für eine Kultur der freien Meinungsäußerung, in der insbesondere auch kritische Stimmen einen Platz finden müssen. Dabei gibt es klare Grenzen, die wir im vorliegenden Fall nicht verletzt sehen. Wir werden daher beantragen, das Verfahren einzustellen. Die Meinungsfreiheit, zu der auch Protest gehört, steht nach unserer Ansicht hier im Vordergrund.
sv98.de: Welchen Eindruck hast du allgemein zu der laufenden Debatte?
Fritsch: Eins muss ganz klar sein: Persönliche Beleidigungen, wie wir sie in andernorts sehen mussten, können nicht der Weg sein. Es muss klar sein, dass einzelne Personen auf Plakaten nicht ins Fadenkreuz gehören. Hetze und Hass sind nicht hinnehmbar .Dies gilt unabhängig von Dietmar Hopp, übrigens für alle Menschen, und zwar jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder Religion, jeder sozialen Schicht, jeder Hautfarbe, jeder Nationalität und jeder sexuellen Orientierung. Da stehen wir entschieden dagegen. Daher sind wir froh, dass unsere Fans einen inhaltlichen Weg der Auseinandersetzung gesucht haben.
Die laufende Debatte bringt uns aber auch nicht voran, wenn weiterhin Themen wahllos vermischt werden. Vielmehr gilt es, sich der verschiedenen Punkte differenziert anzunehmen. Wir müssen es genauso schaffen, Beleidigungen und Diskriminierungen auseinander zu halten, wie auch zum Stein des Anstoßes vorzudringen – und das sind nun mal die Kollektivstrafen.
sv98.de: Wie soll das gelingen?
Fritsch: Die Lösung liegt natürlich im Dialog. Kollektivstrafen haben, nach meiner Kenntnis, noch nie ein Problem gelöst. In Darmstadt sind wir nah dran am Puls der Fankurve, dadurch fällt es uns leichter, die Zusammenhänge zu verstehen und damit umzugehen. Das muss auch auf bundesweiter Ebene das Ziel sein. Um diese Herausforderung zu meistern, braucht es eine verlässliche Kommunikationsbasis zwischen allen Beteiligten. Das Sportgerichtsurteil betreffend den Ausschluss von Fans des BVB hinsichtlich der nächsten Auswärtsspiele in Hoffenheim hat diesen Bemühungen sicherlich geschadet. Auf DFL- Ebene und damit auf der Ebene der Clubs ist man sich überwiegend einig, dass es eine pauschale Wiedereinführung der Kollektivstrafe nicht geben darf.
Daher muss hier der erste Ansatzpunkt liegen. Wir Lilien sagen klar: Kollektivstrafen sind für uns keine Lösung! Wenn es zu individuellem Fehlverhalten kommt, muss dieses mit angemessenen Konsequenzen gezielt verfolgt werden, eine Art Sippenhaft wird jedoch zurecht als ungerecht angesehen und dementsprechend auch seine Wirkung verfehlen.