Es war ein Spagat, den es für die Spieler des SV Darmstadt 98 zu meistern galt. Erst das täglich schwer zu kauende Brot in der 2. Bundesliga, dann die große Fußballbühne im Pokal. Erst Sandhausen, dann Eintracht Frankfurt. Einstellungssache. Eine Thematik, die die Lilien unglaublich professionell angingen. Der einhundertprozentige Fokus richtete sich einzig und allein auf die Begegnung am Hardtwald. Etwas anderes hätte Torsten Lieberknecht ohnehin nicht zugelassen. Schon in der Pressekonferenz vor dem Spieltag forderte er eine profihafte Einstellung. Diese wollten er und seine Mannschaft in Sandhausen an den Tag legen, den Gegner respektieren und hochkonzentriert auftreten. Und all das setzten die Südhessen bei ihrem 4:0-Erfolg auswärts beim SVS um.
Kempe: “Stolz auf die Mannschaft”
“Ich ziehe den Hut vor meiner Mannschaft: Sie hat es geschafft, bei unserem täglich Brot in der Liga unglaubliche Leidenschaft zu zeigen”, lobte der Cheftrainer des SV 98 nach Abpfiff seine Schützlinge. Die Mannen vom Böllenfalltor machten von Beginn an deutlich, dass sie enorm hungrig auf die nächsten drei Punkte waren. Angepeitscht wurden sie bei der Mission Auswärtssieg von rund 3500 mitgereisten und lautstarken Lilien-Fans. Auf den Rängen, aber vor allem bei den Spielern auf dem Feld war stets der Wille spürbar, die eigenen Zweitliga-Hausaufgaben mit großem Einsatz zu erledigen. Das stimmte auch Tobias Kempe zufrieden: “Ich bin stolz auf die Mannschaft – darauf, wie jeder das Duell angenommen hat.”
Dabei waren die Vorraussetzungen – wie schon so oft in dieser Saison – gar nicht so einfach. Mit dem gelbgesperrten Marvin Mehlem, dem verletzten Matthias Bader und dem unter der Woche kränkelnden Braydon Manu mussten gleich drei Positionen neu besetzt werden. So rutschte Frank Ronstadt in die Bader-Rolle. Und im Offensivbereich wirbelten dann eben Mathias Honsak und Oscar Vilhelmsson, die das Vertrauen des Trainers prompt zurückzahlten. Der schwedische Angreifer markierte in der zweiten Halbzeit das zwischenzeitliche 3:0, sein österreichischer Teamkollege hatte bei seinem Startelfdebüt in dieser Saison bereits im ersten Durchgang mit einem Doppelpack geglänzt. Und dass der Treffer zum 4:0 dann auch noch vom eingewechselten Emir Karic erzielt wurde, verdeutlichte nur noch stärker, dass sich Lieberknecht auf seinen gesamten Kader verlassen kann. Alle Darmstädter Akteure brennen auf Einsätze. Jeder ist parat, wenn er gebraucht wird. Eine Qualität, die die Lilien schon im gesamten Saisonverlauf auszeichnet.
Und doch war das Spielgeschehen in Sandhausen nicht so eindeutig, wie es das Endresultat vermuten lässt. Die Statistik zählte 17:12 Torschüsse für den SVS bei identischen Ballbesitzverhältnissen. “Doch haben wir mit unserer effizienten Spielweise die Tore gemacht”, erklärte Lieberknecht. Kempe unterstützte die Aussage seines Coaches und betonte: “Wir waren heute eiskalt vor dem Tor”. Dazu brachten die Lilien die auch von Lieberknecht gern genannten Basics auf den Rasen. Die Zweikampfbereitschaft stimmte, die Quote sprach mit 54:46 Prozent gewonnener Duelle für die Darmstädter. Auch der Zähler der abgespulten Kilometer (111,27:109,99) schlug knapp in Richtung der Lilien aus. “Es war ein hartes Stück Arbeit”, bilanzierte Kempe daher, um dann aber bereits den Blick nach vorn zu richten.
Große Lust aufs Pokalachtelfinale
Einstellungssache. Dazu gehört eben auch, sich mit siegreichen Spielen nicht allzu lange aufzuhalten – gerade in dieser eng getakteten Englischen Woche, in der schon am Dienstagabend (7.2./20.45 Uhr) die nächste Herausforderung wartet. Die Zweitliga-Hausaufgaben sind gemacht. Nun gilt es, schnell und gut zu regenerieren, um dann mit voller Kraft ins DFB-Pokalachtelfinale zu starten. Eintracht Frankfurt. Hessenderby. “Wir haben Bock drauf”, verdeutlichte Kempe noch in den Katakomben des Hardtwald-Stadions.
Formstarker Zweitligist vs formstarker Champions-League-Achtelfinalist
Seit sechs Jahren gab es dieses Duell zwischen Darmstadt und Frankfurt nicht mehr. Die Vorfreude aller Beteiligten ist dementsprechend riesig. Doch ist jeder Lilie die Schwere der Aufgabe bewusst. “Es wird auf Leidenschaft und Defensivarbeit ankommen”, prophezeite Kempe und fügte hinzu: “Wir wollen am Dienstag wieder unser Herz auf dem Platz lassen.” Genau dieses leidenschaftliche Lilien-Herz braucht es am Dienstagabend, um beim favorisierten Rivalen aus der Main-Metropole zu bestehen.
Schließlich sind die Kräfteverhältnisse klar verteilt. Da reicht ein kurzer Blick auf die Zahlen dieser Eintracht-Saison: Tabellenplatz sechs, 32 Punkten und mit 37 Toren hinter den Bayern und Leipzig die drittstärkste Offensive der Bundesliga. Zudem haben die im Champions-League-Achtelfinale befindlichen Adlerträger wettbewerbsübergreifend nur eines der letzten zwölf Pflichtspiele verloren. Und dennoch machte Kempe deutlich: “Es ist ein Pokalspiel, ein Derby – da kann alles passieren.”