„Tobi, ganz ehrlich: ‚Weißt du als Spieler auf dem Platz immer, in welchem System ihr gerade spielt?‘. Als Tobias Kempe nach Spielende zum ersten TV-Interview schritt, erwartete ihn direkt diese Frage, die ein Grinsen auf das Gesicht des Mittelfeldroutiniers zauberte. „Wir haben wirklich extrem viele taktische Kniffe in unserem Spiel, können innerhalb von kurzer Zeit auch die Formation umstellen. Das trainieren wir, jeder Spieler weiß Bescheid. Wir können auf viele Situationen reagieren, das ist überragend.“
Den Beweis für die Aussagen Kempes hatten er und seine Mitspieler vorab auf dem Rasen von St. Pauli geliefert. Nachdem sich Pfeiffer nach rund fünf Minuten zurück auf seiner angestammten Innenverteidigerposition einsortiert hatten, agierten die Lilien in der ersten Hälfte zunächst im 3-5-2, bevor bereits im Laufe des ersten Durchgangs teilweise auf ein 4-2-3-1 umgestellt wurde. Auf jene Grundordung, in der die Darmstädter auch nach dem Wiederanpfiff agierten, allerdings mit weiteren leichten Anpassungen innerhalb der Formation. „St. Pauli hatte zu viel Luft auf der Sechs und den Außen, das wurde nach dieser Umstellung besser“, erklärte Kempe, der selbst zunächst als alleiniger Sechser hinter Marvin Mehlem und Frank Ronstadt agierte, bevor er später neben Jannik Müller und dann gemeinsam mit Fabian Holland die Doppelsechs bildete.
„Ziehe den Hut vor meiner Mannschaft“
Diese Flexibilität, sie hilft den Lilien bereits im kompletten Saisonverlauf. Aber auch speziell in der aktuell extrem angespannten Personalsituation. Mit Einfällen gegen die Ausfälle. Nur 19 von 20 möglichen Akteuren hatte Torsten Lieberknecht auf dem Spielberichtsbogen vermerken können, darunter drei statt der sonst üblichen zwei Torhüter. „Wir haben gezeigt, dass wir trotz dieser unglaublichen Situation stabil sind. Umso mehr ziehe ich den Hut vor meiner Mannschaft, die weiterhin ungeschlagen geblieben ist“, bilanzierte der Cheftrainer, der insgesamt auf ein „gerechtes Unentschieden“ zurückblickte.
Ein Remis, welches die Serie an ungeschlagenen Pflichtspielen in Serie auf 15 ansteigen lässt. Eine stolze Zahl, die Kempe nach dem Spiel einzuordnen wusste: „Wir arbeiten Woche für Woche dafür. Und wir haben es uns auch heute wieder verdient, dieses Spiel nicht zu verlieren. In dieser Liga bedeutet jede Woche harte Arbeit. Aber der Spaß kommt immer dadurch, dass wir unsere Punkte holen.“
„Dafür sind wir eine Mannschaft“
29 Zähler haben die Südhessen gesammelt. Drei Spiele warten nun noch bis zur Winterpause. Die Marschroute für diesen Schlussspurt ist klar, wie Kempe verdeutlicht: „Wir wollen in jedem Spiel punkten. Dafür müssen die Spieler, die noch fit sind, Gas geben. Dafür sind wir eine Mannschaft, dafür halten wir zusammen. Danach kommt dann die Erholung.“
Die Lilien machen das Beste aus ihrer Situation. Sie jammern nicht, viel eher liefert jeder Akteur ab. 21 Spieler hat Lieberknecht bislang eingesetzt, stolze elf davon haben bereits getroffen. Mannschaftliche Geschlossenheit, eine Portion Unberechenbarkeit, dazu die taktische Flexibilität. Der SV 98 ist in jeder Besetzung ein unangenehmer Gegner und in jedem System konkurrenzfähig. Punkte, die dafür sprechen, dass der SVD auch am kommenden Freitag wieder gute Chancen auf weitere Zähler besitzt. Unabhängig davon, welche Spieler in welcher Formation auflaufen werden.