Ab Sommer: Marseiler wird eine Lilie
Die Lilien haben sich mit einem Offensivspieler verstärkt: Luca Marseiler, derzeit noch für den Drittligisten Viktoria Köln aktiv, wird ab der neuen Saison für den SV Darmstadt 98 auflaufen.
Ein kurzer Abstecher in die Vergangenheit: Wir drehen das Bundesliga-Rad um gute 50 Jahre zurück. Und reisen in die goldenen 1970er Jahre von Borussia Mönchengladbach. Es sollte die erfolgreichste Dekade in der Vereinsgeschichte sein. Legenden wie Günter Netzer, Berti Vogts oder Jupp Heynckes trugen damals das Borussia-Trikot. Gleich fünfmal gewann Mönchengladbach in diesem Zeitraum die Deutsche Meisterschaft, zudem einmal den DFB-Pokal und zweimal den UEFA-Cup. Die Borussia, sie verzauberte ihre Fans mit ihrer so temporeichen und offensiven Spielweise. Weil sie außerdem die Bundesliga mit vorwiegend jungen Spielern dominierte, entwickelte sich ein Spitzname, der noch heute Bestand hat: Die FohlenElf.
Zurück in die Gegenwart. Heute belegt Borussia Mönchengladbach in der Ewigen Bundesliga-Tabelle hinter Bayern, Dortmund, Bremen und Stuttgart den fünften Rang. Qualifizierte sich die Borussia zuletzt in den Jahren 2016 und 2020 noch jeweils für die Champions League, schlossen die Gladbacher die vergangenen beiden Spielzeiten auf dem zehnten Rang ab. Nach zahlreichen prominenten Abgängen in den letzten Jahren befindet sich die Elf vom Niederrhein erneut im Umbruch. Doch bleiben die Gladbacher getreu ihrem Spitznamen auch 50 Jahre nach den goldenen 70ern bei ihren Prinzipien. Oder wie Sportdirektor Nils Schmadtke erklärte: „Wir betonen immer wieder, dass wir auf junge Spieler setzen wollen. Dieser Prozess braucht aber etwas Zeit.“
Rückschläge dieser jungen Truppe? Einkalkuliert. So bot die Borussia im Heimspiel gegen Bayern München eine Startelf von im Schnitt 25,4 Jahren auf, nur der FC Augsburg (24,7) schickte in dieser Bundesliga-Spielzeit eine noch jüngere Anfangsformation auf den Rasen. Doch nach drei Spieltagen durfte die FohlenElf noch keinen Sieg bejubeln. Niederlage gegen den deutschen Rekordmeister (1:2), zuvor chancenlos im Derby gegen Bayer Leverkusen (0:3). Wild und spektakulär wurde es dagegen zum Ligaauftakt, als Mönchengladbach auswärts 4:4 in Augsburg spielte und den bislang einzigen Saisonpunkt holte. Vor dem anstehenden vierten Bundesliga-Spieltag nehmen wir den kommenden Gegner des SV Darmstadt 98 genauer unter die Lupe. Borussia Mönchengladbach im Gegnercheck.
Deutsch und Englisch. Spanisch und Französisch. Italienisch und Portugiesisch. Und dazu natürlich Schwyzerdütsch. Gerardo Seoane kann sie alle, der Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach ist sprachlich durchaus begabt. Verständigungsprobleme? Die sollte es im Borussia-Park also nicht geben. Geboren und aufgewachsen ist der neue Übungsleiter der FohlenElf in der Schweiz, genauer gesagt in Luzern. Seine Eltern stammen aus dem Nordwesten Spaniens. War er in seiner aktiven Laufbahn noch Innenverteidiger im Einsatz, verschrieb sich der 44-Jährige als Trainer lieber dem Offensivfußball. Doch der Reihe nach: In Luzern arbeitete er sich hoch vom Jugendtrainer bis zum Chefcoach, 2018 folgte mit seinem Wechsel zum BSC Young Boys der Durchbruch, der ihm später von 2021 bis Oktober 2022 eine Anstellung bei Bayer Leverkusen bescheren sollten.
Zurück nach Bern. Gleich in seiner ersten Saison feierte Seoane mit YB die Schweizer Meisterschaft – und das mit 20 Punkten Vorsprung sowie beeindruckenden 99 Saisontoren. Insgesamt gewann der gebürtige Luzerner mit den Bernern drei Jahre in Folge den Meistertitel, dazu gesellte sich ein Pokalsieg. Dabei prägte ein spektakuläres Angriffsspiel die dreijährige Amtszeit Seoanes bei den Young Boys. 323 Tore in 148 Partien und ein Punkteschnitt von 2,15 Zähler pro Spiel sprechen Bände. Der Fußball, für den er steht, gestaltet sich also offensiv und attraktiv sowie angriffslustig, aber auch strukturiert und gut organisiert. „Er passt fußballerisch zu dem Weg, den wir vor einem Jahr hier eingeschlagen haben“, freute sich deshalb Roland Virkus, Geschäftsführer Sport bei der Gladbacher Borussia, anlässlich der Vorstellung des neuen Fohlen-Cheftrainers in diesem Sommer. Nach zwei zehnten Plätzen in den vergangenen beiden Spielzeiten sowie zwei Coaches, die jeweils nur eine Saison in Gladbach blieben, soll Seoane im Borussia-Park nun für Kontinuität sowie erfolgreichen Fußball stehen.
Top-Neuzugänge | Top-Abgänge |
Tomas Cvancara (22, Sparta Prag) | Marcus Thuram (25, Inter Mailand) |
Franck Honorat (26, Stade Brest) | Ramy Bensebaini (28, Borussia Dortmund) |
Robin Hack (24, Arminia Bielefeld) | Jordan Beyer (23, FC Burnley) |
Maximilian Wöber (25, Leeds United) | Jonas Hofmann (30, Bayer Leverkusen) |
Jordan (27, Union Berlin) | Lars Stindl (34, Karlsruher SC) |
Eigengewächse. Mit sieben Eigengewächsen wird die FohlenElf in dieser Statistik nur von Hoffenheim, Mainz und Freiburg (alle 9) übertroffen. Patrick Herrmann und Tony Jantschke, die beide seit 2008 sowie 2006 zur Borussia gehören, verkörpern dabei mit zusammengerechnet über 500 Bundesliga-Spielen die pure Erfahrung der Gladbacher Eigengewächse. Doch auch zwei junge Talente haben sich in den Fokus der Profimannschaft gespielt. Rocco Reitz – Jahrgang 2002 – kam zuvor fünfmal in der 1. Liga zum Einsatz und stand dritten Spieltag der diesjährigen Bundesliga-Spielzeit gegen Bayern München zum ersten Mal über die volle Distanz auf dem Feld. „Abgesehen vom Ergebnis war es die geilste Erfahrung, die ich in meinem bisherigen Leben hatte. Ich hatte gefühlt 90 Minuten lang Gänsehaut“, sollte er nach Abpfiff im Borussia-Park sagen. Neben Reitz halten die Fohlen auch auf einen weiteren Youngster große Stücke: Yvandro Borges Sanches, 19 Jahre jung, Luxemburger mit kapverdischen Wurzeln. Ein Mann für die linke Außenbahn, der mit enormen Tempo überzeugt und beim 4:4 in Augsburg nach Einwechslung direkt mal einen Assist lieferte.
Tomas Cvancara. „Ich bin 1,90 Meter groß, ziemlich schnell, habe in der tschechischen Liga und der Conference League einige Tore geschossen und auch bei meinem Debüt für die Nationalmannschaft getroffen“, verrät er über sich im vereinseigenen Interview auf borussia.de und lacht: „Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.“ Wir finden schon. Der 23 Jahre alte Tscheche trägt erst seit diesem Sommer das Gladbacher Jersey. Nach dem Abgang von Marcus Thuram, der in der vergangenen Saison in 32 Pflichtspielen insgesamt 16 Tore erzielte und sich aber nun Inter Mailand anschloss, soll der großgewachsene Cvancara ab sofort für Gefahr vor dem gegnerische Gehäuse sorgen. Gesagt, getan. Seine Statistik zum Saisonstart kann sich sehen lassen: Doppelpack im DFB-Pokal samt Assist, dazu zwei Treffer in der Bundesliga – vier Spiele, vier Tore.
„Diese Mischung findet man selten“, schwärmt Gladbachs Cheftrainer Gerardo Seoane von seinem Neuzugang. Physis und Präsenz im Angriff, dazu immer anspielbar und torgefährlich. Er wirkt wie ein klassischer Mittelstürmer. Doch trotz seiner Körpergröße kommt Cvancara zudem mit beeindruckendem Tempo daher. Kein Wunder, dass er bei seinem vorherigen Arbeitgeber Sparta Prag auch auf der Flügelposition zum Einsatz kam. Dort in der tschechischen Hauptstadt hatte er übrigens mit zwölf Treffern in 24 Spielen entscheidenden Anteil daran, dass die Prager in der vergangenen Saison die Meisterschaft gewannen. Eine überzeugende Spielzeit, die den 23-Jährigen auch in den Fokus der Nationalmannschaft rückte. Gleich bei seinem Debüt in der EM-Qualifikation gegen Polen erzielte er bereits nach drei Minuten sein erstes Länderspieltor. Starke Zahlen aus der jüngeren Vergangenheit, zudem ein vielversprechendes Debüt im Trikot der Borussia: Die Hoffnungen der Gladbacher Anhängerschaft in ihn, sie sind geweckt.