Genau dieser Dienstagabend hat seinen festen Platz in der Liste an ganz besonderen Bölle-Abende. Wenn das Licht der vier Flutlichtmasten auf den Platz hinunterscheint und den Rasen in seinem feinsten Grün glänzen lässt, entsteht im Merck-Stadion am Böllenfalltor noch einmal ein ganz einzigartiger Charme. Eine Kulisse, die eine Mannschaft tragen kann. So wie an diesem Pokalabend. Etwas, was Marcel Schuhen schon auf der Busfahrt hoch ans Böllenfalltor spürte. „Es ist schon etwas Besonderes, zum Stadion zu fahren, wenn das Flutlicht an ist“, verriet der Torhüter des SV 98. Dass Gladbach gut sei, wussten die Lilien. „Aber auf der Fahrt hast du sofort gemerkt: Heute geht vielleicht was.“ Schuhens Bauchgefühl, es sollte ihn nicht täuschen.
Darmstädter Mut zahlt sich aus
15.850 Fans verfolgten das Duell mit der Borussia aus Mönchengladbach live im Stadion, weitere 3,84 Millionen Menschen sahen das Spiel live in der ARD-Sportschau. Werbung für das Darmstädter Publikum, welches für eine Stimmung sorgte, dass die Blau-Weißen noch einmal über sich hinauswachsen ließ. Werbung aber auch für den Darmstädter Fußball. Denn die Lilien, sie verbarrikadierten sich gegen den Bundesligisten eben nicht vor dem eigenen Sechzehner, wie es manch anderer Underdog gegen eine Mannschaft aus einer höheren Spielklasse vermutlich getan hätte. Nein, ganz im Gegenteil. „Wir haben das Ding nicht irgendwie mit Glück gezogen“, machte Schuhen deutlich. Speziell die beiden Treffer des SV 98 seien sehr gut herausgespielt worden. Zudem suchten die Darmstädter stets ihr Heil in der Offensive. Sie spielten aggressiv und intensiv. Sie zeigten Offensivdrang und agierten mit hohem Pressing, nahmen dafür sogar Eins-gegen-Eins-Duelle in der letzten Kette in Kauf. Eine Herangehensweise, die sich mit dem Einzug ins DFB-Pokalachtelfinale auszahlte.
„Wir haben uns alle auf diesen Abend gefreut. Jeder hat gespürt, dass vielleicht etwas drin ist. Aber dass es dann so läuft, ist der absolute Wahnsinn“, schwärmte Holland nach Abpfiff. Insgesamt waren die Lilien über die gesamte Spieldauer hinweg stets auf Augenhöhe mit der Borussia. 17:9 Torschüsse zählte die Statistik für die Darmstädter. Dazu eine Ballbesitzverteilung mit nur leichten Vorteilen für die Gäste – 45,11 Prozent zu 54,89 Prozent. Ein guter Wert, wenn man bedenkt, dass die Lilien den Tabellensechsten der ersten Liga zu Gast hatten. Schuhen: „Jeder hat die individuelle Qualität und das Tempo von Gladbach gesehen, aber unser Mut wurde belohnt.“ Natürlich mussten die Südhessen auch die ein oder andere brenzlige Situation überstehen. Doch meisterten sie diese dank der nötigen Konsequenz in der Verteidigung sowie dem gewissen Quäntchen Glück, das es an solchen Abenden eben auch braucht.
Tolles Erlebnis – Serie fortsetzen
Das Fazit? „Es war einfach ein tolles Erlebnis, jede Lilie hatte heute Spaß am Bölle“, fasste Holland den Dienstagabend zusammen. Dank ihres mutigen Auftretens überwintern die Lilien nun im DFB-Pokal. Seit insgesamt 13 Pflichtspielen in Liga und Pokal hat der SV 98 nicht mehr verloren. Die vergangenen wettbewerbungsübergreifend fünf Partien wurden allesamt gewonnen. Eine Serie, die das Selbstvertrauen weiterwachsen lässt. Fakt ist aber auch, dass es in jedem Spiel diese hundertprozentige Fokussierung benötigt, die die Darmstädter – egal, wie der Gegner auch hieß – in den letzten Woche an den Tag legten. Diese Serie nicht reißen zu lassen, daran arbeitet der SV 98. „Wenn wir von diesem Weg abkommen und uns nicht mehr voll auf jedes einzelne Spiel konzentrieren, endet diese Serie“, mahnte Schuhen und richtete damit den Blick bereits auf das nächste Duell.
Ausfallgebeutelt in das Finish der Englischen Woche
Denn schon am Freitagabend (21.10./18.30 Uhr) empfangen die Lilien die Mannschaft von Holstein Kiel zum Duell in der 2. Bundesliga. Die dritte und letzte Aufgabe in dieser enorm kräftezehrenden Englischen Woche, in der sich die Lilien aufgrund von Verletzungen personell immer wieder neu justieren müssen. „Wir brauchen jeden“, machte Holland deshalb deutlich. Das wird besonders dieser Tage mehr als deutlich. Torsten Lieberknecht und sein Team haben in den vergangenen Wochen das Kunststück gemeistert, die namhafte Ausfallliste zu kompensieren und übertünchen. Auch im Rahmen der Pressekonferenzen ist der Cheftrainer der Lilien stets bestrebt, nicht zu hadern und die Situation so anzunehmen. Dennoch: Der SV 98 schleppt sich auf der letzten Rille in die letzte Begegnung der Englischen Woche. Nun also geht es gegen ausgeruhte und formstarke Störche. Holland: „Mit Kiel wartet der nächste Knüller auf uns. Auch nach dem Sieg gegen Gladbach liegt es uns nicht, große Töne zu spucken. Wir werden einfach weiterarbeiten und Woche für Woche unseren Job machen.“
Gut für die 98er, dass sie ihren Job am kommenden Freitag erneut im Merck-Stadion am Böllenfalltor verrichten dürfen. In ihrer Heimspielstätte, in der sie seit saisonübergreifend neun Spielen nicht mehr verloren haben. Ein Stadion, dass sich dank des Zusammenhalts zwischen Mannschaft und Fans zur Festung entwickelt hat, die auch gegen Holstein Kiel standhalten soll. Denn wie Holland schon am Dienstagabend in die Nacht brüllte: „Das ist unser Stadion!“